Der Zweibrücker Dingler-Clan

Der Name „Dingler“ ist vielen Zweibrückern in Verbindung mit dem ehemaligen Kranhersteller Demag (heute Terex) ein Begriff.

 

Christian Wilhelm Nikolaus Dingler, gründete 1827 eine kleine Maschinenfabrik im Bereich der Wallstrasse, die späterhin auf das bis heute bekannte Gelände umzog. Er hatte allerdings nie etwas mit Kranbau zu tun und nur wenige wissen, dass hinter dem Namen Dingler ein recht großer erfolg- und einflussreicher Familien-Clan stand, welcher deutschlandweit und bis über die Landesgrenzen hinweg lebte und in verschiedenen Fachbereichen tätig war.

Leider sind in den vergangenen zwei Jahrhunderten der Dingler’schen Firmen- und Familiengeschichte viele Details verloren gegangen. Es existiert auch kein offizielles Archiv über diese Familiendynastie.

Die hier zusammengefasste Dingler-Historie ist daher stellenweise bei den Personenangaben lückenhaft.

 

Der Stammvater der Familie Dingler war nachweislich der 1568 in Dachtl bei Calw (Baden-Württemberg) lebende Hanns „Tengler“. Der Berufsstand des Kaltschmiedes wurde Tengler genannt. Zur damaligen Zeit kam es sehr häufig vor, dass die Menschen ihrer Berufsbezeichnung nach angesprochen wurden, wodurch über die Jahrhunderte unsere heutigen Nachnamen entstanden. Durch verschiedene Dialekte oder verschieden klingender Aussprachen entstand z. B. aus dem Beruf Schmied der Nachname Schmitt.

So wurde aus Tengler irgendwann Dingler. (Tengler – Tängeln/Tengelen – Dängeln/Dängelen – Dingeln/Dingelen usw. bis zu Dingler. Die Wortendung „er“ war zumeist auf männliche Personen bezogen. Unter welchem Namen und wann genau die Nachfahren Tengler’s nach Zweibrücken kamen, ist nicht belegt.

 

Die Zweibrücker Linie der Familie Dingler 

1,) Christian Dingler – Leinenwebermeister aus Zweibrücken geb. um 1700

 

2,) Johann Christian Dingler – aus Zweibrücken 1741 (Sohn von 1.)

 

3,) Johann Gottfried Dingler – Chemiker und Fabrikant aus Zweibrücken 1778 – 1855 (Sohn von 2.)

 

4,) Johann Christian Dingler – Schlossermeister aus Zweibrücken  1771 – 1849 (Sohn von 2.)

 

5,) Johann Heinrich Dingler – Unternehmer aus Zweibrücken 1800 – 1871 (Sohn von 3.)

 

6,) Christian Wilhelm Nikolaus Dingler – Maschinenindustrieller aus Zweibrücken 1802 – 1858 (Sohn von 3.)

 

7,) Johann Gottfried Dingler – Jurist und Politiker aus Zweibrücken geb. 1803 – 1875 (Sohn von 3.)

 

8,) Georg Julius Dingler – Maschinenindustrieller; Wirtschaftsführer aus Zweibrücken 1834 – 1899 (Großcousin von 5., 6. & 7.)

 

9,) Hermann Dingler – Dr. med. & Dr. phil. Botaniker aus Zweibrücken, geb. 1846 – 1935 (Sohn von 7.)

 

10,) Georg Christian Julius Dingler – Maschinenindustrieller; Wirtschaftsführer; Kommerzienrat aus Zweibrücken geb. 1864 – 1936 (Sohn von 8.)

  

Die Bedeutendsten aus dieser Auflistung:

 

3,) Johann Gottfried Dingler

Geb. am 2. Januar 1778 in Zweibrücken, † 19. Mai 1855 in Augsburg

Chemiker, Fabrikant, Erfinder und Technologieschriftsteller

 

Nachdem er die Volksschule in Zweibrücken besuchte, ließ er sich in Oppenheim zum Apotheker ausbilden. Anschließend diente er 2 Jahre lang in der preußischen Armee als Feldapotheker, nach seiner militärischen Dienstzeit eröffnete er im Jahre 1800 in Augsburg eine eigene Apotheke.

Dingler begann sich für die „Kattun-Druckerei“ zu interessieren und experimentierte mit chemischen Verfahren, wodurch er die Anwendung dieses Druckverfahrens verbesserte. 1806 gründete er in Augsburg gemeinsam mit dem Chemiker Arnold eine Fabrik für chemische Produkte, die Dingler & Arnold genannt wurde. Es war die erste bayerische Schwefelsäurefabrik, deren Haupterzeugnis zum Bleichen von Baumwoll- und Leinengarn verwendet wurde. Einige Zeit später trennten sich Dingler & Arnold wieder, woraufhin Dingler die Fabrik alleine weiterführte. Zwischen 1809 und 1815 erfand er mehrere Verfahren in den Bereichen Färberei, Zeugdruckerei und der Zinnbeizerei.

Im Jahre 1835 wechselte sein Unternehmen den Besitzer, 1845 zog sich Dingler aus allen Geschäftsbereichen zurück.

Bereits im Jahre 1806 war er in seinem Fachgebiet auch literarisch tätig und veröffentlichte ein polytechnisches Journal für das gesamte Gebiet der Färberei, Druckerei und Bleicherei, welches monatlich erschien. Im gleichen Jahr verlieh ihm die Universität Gießen hierfür die Doktorwürde.

 

 

 

6,) Christian (Wilhelm Nikolaus) Dingler

Geb. am 15. Februar 1802, † 18. Dezember 1858 in Zweibrücken

Maschinenindustrieller, Entwickler und Erfinder, Gründer der Dingler'schen Maschinenfabrik in Zweibrücken (heute Terex)

 

Der in Zweibrücken aufgewachsene Christian (Wilhelm Nikolaus) Dingler begann nach Beendigung der Schule eine Ausbildung in der Schlosserwerkstatt seines Vaters, die er im In- und Ausland vollendete.

Im Jahre 1827 gründete er in der Zweibrücker Altstadt (im Bereich der Wallstraße) eine mechanische Werkstätte, in der er mit 10 Arbeitern Öl- und Schneidemühlen sowie Buchdruckerpressen herstellte.

Dingler erfand und fabrizierte die Buchdruck-Kniehebel-Presse, welche er die „Zweibrücker-Presse“ nannte und im Laufe der Jahre als „Dinglerpresse“ bekannt wurde und in die Geschichte der Buchdruckerkunst einging. Diese Presse war jahrelang führend in Europa und die Ursache des raschen Aufstieges des Dingler’schen Unternehmens, welches zu einer der ältesten Maschinenfabriken Süddeutschlands zählt.

Nach dem Ankauf des Hofguts Schönhof im Jahre 1834 und der Verlegung der Fabrik auf dieses neue Vorstadtgelände begann er seine Fabrik zu erweitern und gründete die Dingler'sche Maschinenfabrik, wodurch die Industrialisierung in Zweibrücken begann.

1838 ließ er auf dem Fabrikgelände eine Eisen- und Metall-Gießerei sowie die erste Dampfmaschinen-Anlage der Pfalz bauen.

 

Im Jahre 1842 begann er mit der Herstellung von Eisenbahngüterwagen. Um die Böden und Seitenwände, welche aus Holzbrettern bestanden, ohne Umwege beziehen zu können, wurde eine große Schreinerei aufgebaut. Ab 1843 begann er selbst mit der Entwicklung und der Produktion von verschiedenen Dampfmaschinentypen (Wärmekraftmaschinen), mit denen er europaweit zum führenden Hersteller im Dampfmaschinenbau wurde.

Nach der Errichtung einer großen Schmiede mit Schweißofen und einem 40-Zentner-Hammerwerk wurde im Jahre 1848 zusätzlich noch mit der Herstellung von Wasserrädern und Turbinen begonnen. Die Dingler'sche Maschinenfabrik beschäftigte während dieser Zeit bereits 80 Angestellte und entwickelte sich zum wirtschaftlichsten Unternehmen in der Pfalz.

Er war auch seinerzeit an der Gründung verschiedener anderer industrieller Unternehmungen beteiligt, unter anderem als Mitgründer der bedeutenden saarpfälzischen Kohlengrube „Frankenholz“ bei Homburg, deren Grundstein er legte. Ein weiteres Projekt von ihm war der Bau von Dampfkesseln für Schiffe der Deutschen Marine. 1853 wurden durch einen großen Brand in der Werkshalle 17 fertige Güterwagen und die Vorarbeiten für weitere 100 zerstört. Innerhalb von 6 Wochen wurde das Gebäude neu aufgebaut und die Produktion wieder aufgenommen.

1857 erfolgte in Zweibrücken der Anschluss an das Eisenbahnnetz, der erste Bahnhof entstand damals auf dem Werksgelände von Dingler. Durch die Anbindung ans Schienennetz mussten die schweren Güterwagen nicht mehr mit Pferden zum Bahnhof nach Homburg gezogen werden, auch seine anderen Produkte konnte er von da an einfacher und schneller zum Bestimmungsort versenden. Im gleichen Jahr erwarb er ein angrenzendes Grundstück und ließ darauf eine weitere Produktionshalle errichten, auch die alte Gießerei wurde beseitigt und durch eine größere ersetzt, wodurch die Produktionszahlen erneut anstiegen.

Im Jahre 1858 verstarb Christian (Wilhelm Nikolaus) Dingler, bereits zu seinen Lebzeiten war die Dingler’sche Maschinenfabrik in Deutschland und auch zum Teil in Europa marktführend in den Bereichen Buchdruckpressen sowie im Kessel- und Dampfmaschinenbau. Seine Nachfolger knüpften nahtlos daran an. Dingler’s Maschinenfabrik gehörte zweifellos zu den Pionieren der Industrialisierung Deutschlands, er selbst zählt zu den bedeutendsten Entwicklern und Erfindern in den Fachbereichen Druckpressenherstellung und Wärmekraftmaschinenbau.

 

 

 

7,) Johann Gottfried Dingler

Geb. 2. November 1803, † 29. Oktober 1875 in Zweibrücken

Jurist und Mitglied des bayerischen Landtags

 

Nach dem Besuch des Gymnasiums in Zweibrücken studierte er Theologie und Rechtswissenschaften an den Universitäten in Heidelberg und Erlangen. Im Jahr 1822 schloss sich Dingler der alten Erlanger Burschenschaft an, 1829 wurde er Rechtskandidat und Ergänzungsrichter am Bezirksgericht Zweibrücken und 1833 Friedensgerichtsschreiber in Annweiler. Zwei Jahre später übernahm er das Amt des Bezirksrichters in Kaiserslautern, 1847 wurde er zum 2. Staatsprokurator am Appellationsgericht in Zweibrücken ernannt und 1849 zum Appellationsgerichtsrat.

Als Mitglied des bayrischen Landtags war er von 1863 bis 1874 im Gesetzgebungsausschuss des 4. Wahlbezirks Zweibrücken/Pirmasens tätig.

Er wurde mit dem königlich-bayerischen Verdienstorden vom Heiligen Michael" 1. Klasse, zum Ritter geadelt.

 

 

 

9,) Hermann Dingler

Geb. am 23. Mai 1846 in Zweibrücken, † 30. Dezember 1935 in Aschaffenburg

Dr. med. & Dr. phil., Botaniker

 

Der in Zweibrücken aufgewachsene Sohn des Appellationsgerichtsrats studierte nach seiner Schulzeit auf Wunsch seines Vaters Medizin an den Universitäten in Zürich, Erlangen, München und Wien. Hermann Dingler schloss sich der Studentenverbindung Corps Helvetia an und wurde im Jahre 1870 zum Dr. med. promoviert, 1872 erlangte er das Staatsexamen.

Nachdem er sein Medizinstudium abgeschlossen hatte, unternahm er eine botanische Studienreise durch Palästina und Kleinasien. In den Folgejahren war er Bahn- und Militärarzt in türkischen Diensten in Bithynien, Acco und Adrianopel.

Hermann Dingler kehrte 1875 zurück nach München um sich wissenschaftlich der Botanik zuzuwenden. Im Jahre 1882 wurde er an der Universität Leipzig zum Dr. phil. promoviert. 1883 habilitierte er sich in München bei Carl Wilhelm von Nägeli in Botanik.

Zwischen 1889 und 1910 lehrte er an der Forstlichen Hochschule in Aschaffenburg Botanik, während dieser Zeit unternahm er 1892 ausgedehnte Forschungsreisen nach Kleinasien, 1909 nach Ceylon, 1912 nach Sizilien und 1914 in den Kaukasus. Anschließend baute er die Sammlungen der Forstlichen Hochschule zu einem naturwissenschaftlichen Museum aus.

Neben seiner Tätigkeit als Hochschullehrer war er Vorsitzender des naturwissenschaftlichen Vereins, im Jahre 1907 gründete Hermann Dingler den Kreisausschuss für Naturschutz im westlichen Unterfranken. Sein Engagement galt der Errichtung von Eichenreservaten im Spessart.

 

 

Die Dingler'sche Maschinenfabrik nach Christian Wilhelm Nikolaus Dingler

Nachdem Tod des Firmengründers im Jahre 1858 wurde die damalige Produktpalette beibehalten und zum Teil weiterentwickelt. Bis 1873 wurden Buchdruckerhandpressen und Handkniehebelpressen, bis 1912 die Dampfkessel und bis 1939 die ältere Generation der Dampfmaschinen weiter produziert.

Die Dingler'sche Maschinenfabrik stellte ihre neuesten Produkte auf Ausstellungen in London (1862), in Paris (1867) und zuletzt in Wien (1873) vor, wo die Fabrik mit der höchsten Auszeichnung, dem Ehrendiplom, geehrt wurde. 1896 wurde auf einer Nürnberger Ausstellung eine neu entwickelte Maschine mit einer Dampfspannung von 10 Atmosphären und einer sehr hohen Tourenzahl präsentiert, die von den Preisrichtern zur erfolgreichsten Neuentwicklung ernannt und mit einer goldenen Medaille ausgezeichnet wurde.

1872 wurde die Fabrikationsstätte erneut durch Grundstücksankäufe erweitert und eine neue große Kesselschmiede errichtet. Im Jahre 1895 begannen die Abrissarbeiten des bereits seit 1875 stillgelegten Sackbahnhofes in der Dinglerstraße, der damals durch den noch heute bestehenden Durchgangsbahnhof ersetzt wurde. An dieser Stelle wurde eine neue, größere Gießerei gebaut, 1899 kamen noch eine moderne Kesselschmiede, weitere Montagehallen für Großmaschinenprojekte und eine Dreherei hinzu. Bereits im Jahre 1897 wurde die Fabrik in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, bis dahin produzierte die Dingler'sche Maschinenfabrik über 500 Eisenbahngüterwagen, 5300 Dampfmaschinen, über 5000 Dampfkessel sowie verschiedene Maschinen für Berg- und Hüttenwerke, Dampfüberhitzer und Eisenkonstruktionen für Hochofenwerke.

 

1827 - Dingler'sche Maschinenfabrik (Gründungsname)

1924 - Dinglerwerk GmbH

1935 - Dingler´sche Maschinenfabrik Aktiengesellschaft Zweibrücken (AG)

1937 - Dinglerwerk GmbH

 

Ab 1939 wurde die Produktion der bereits über 100 Jahre alten Produktkette komplett eingestellt. Von da an wurden zahlreiche neu entwickelte Produkte, die zum größten Teil mit den ehemals produzierten Maschinen usw. nichts mehr gemeinsam hatten, hergestellt.

Bergwerksmaschinen, Dampfmaschinen (neuere Generation), Eisen- und Stahlbauten, Gasbehälter, Gasreinigungsanlagen, Hochofenanlagen, Kompressoren, Rohrleitungen aller Art, Straßenbaumaschinen.

 

Während den Kriegsjahren 1914 bis 1918 und 1939 bis 1945 wurden bei Dingler Rüstungsgüter hergestellt. 1945 wurde die Werksanlage durch Fliegerbomben schwer beschädigt und anschließend wieder aufgebaut.

 

1950 übernahm die Deutsche Maschinenbau-Aktiengesellschaft (Demag) aus Duisburg die Dingler-Werke und begann anfangs verschiedene Straßenbaumaschinen zu produzieren, kurze Zeit später die ersten Kräne.

Weitere Übernahmen erfolgten durch Mannesmann und Terex.

Bis heute werden auf dem ehemaligen Dingler Werksgelände verschiedene Krantypen produziert, unter anderem im Jahr 2009 der größte Mobilkran der Welt, der allerdings wegen seiner Größe im Werk Bierbach aufgebaut werden musste!

 

Leitung der Dingler'schen Maschinenfabrik

6,) Christian Wilhelm Nikolaus Dingler – Fabrikgründer und Direktor

 

8,) Georg Julius Dingler – Fabrikdirektor

 

10,) Georg Christian Julius Dingler – Fabrikdirektor

 

Wir bauen wieder auf

Es vergeht kein Jahr, in dem im März nicht an die totale Zerstörung Zweibrückens erinnert wird. Aber bis vor 44 Jahren wurde im März in Zweibrücken noch ein ganz besonderer Geburtstag gefeiert, an den wir dieses Mal erinnern möchten. Am 1. März 1894 wurde im Spessart ein Mann geboren, ohne den wir nicht in „unserer Stadt“ Zweibrücken leben würden.

Stille. Es ist der Morgen des 20. März 1945. Der Beschuss hatte wieder einmal aufgehört. Aber diesmal war es anders, es blieb still. Um 9 Uhr wurden die ersten Soldaten der 7. Division der 3. US Infanterie der US Armee am Rande der Stadt gesichtet. Der Wahnsinn hatte ein Ende.

Durch die verheerenden Bombardierungen in den vergangenen Kriegsjahren, insbesondere der größten am 14. März 1945, war Zweibrücken zu über 90 % zerstört, was als total zerstört galt. Flächenberechnend gab es nirgendwo in Deutschland einen größeren Schaden, wie es auch in der amerikanischen Zeitung „Herold“ vom 3. Juli 1945 zu lesen war: „Der größte Trümmerhaufen ist die einst blühende Industriestadt Zweibrücken“. Die französische und amerikanische Besatzung hatte bis dahin geplant, die noch wenigen stehengebliebenen Mauern einzureißen und die Bevölkerung ins Umland umzusiedeln, die historisch so wertvolle Stadt Zweibrücken hätte aufgehört zu existieren, was man auch als Wüstung bezeichnet!

4500 Zweibrücker atmeten auf. 6 Tage und 6 Nächte hatten sie in ihren Kellern und Ruinen ausgeharrt. Hatten überlebt, waren die letzten Bewohner von … nichts. Über eine Million Tonnen Trümmer lagen auf dem, was einmal die Zweibrücker Innenstadt war und drum herum sah es nicht besser aus. Zweibrücken war ausradiert und das sollte auch so bleiben, wenn es nach dem Willen der Besatzungsmächte gegangen wäre. Für sie war es undenkbar, Zweibrücken an Ort und Stelle noch einmal neu aufzubauen. Es wurde kurzzeitig darüber nachgedacht, Zweibrücken an einer anderen Stelle neu zu errichten. Aber sie hatten die Rechnung nicht mit der Zweibrücker Bevölkerung gemacht! Die Zweibrücker wollten ihr Zweibrücken wieder haben und zwar genau da, wo es bis vor wenigen Tagen noch gestanden hatte. Ihrem Glauben an den Wiederaufbau gaben sie durch eben diesen Mann, Ignaz Roth, eine Stimme.

1915 an der deutsch-französischen Front verwundet, kam er nach Zweibrücken in´s Lazarett. Von da an hatte er eine neue Heimat gefunden, zumal er hier auch seine große Liebe fand und 1919 heiratete.  

Ab 1922 war er Bezirksleiter des Holzarbeiterverbandes. Ab 1926 arbeitete Roth als Angestellter bei einer Konsumgenossenschaft und ab 1929 dann als Fachangestellter für Arbeitslosenversicherung beim Arbeitsamt. 1933 wurde er aus politischen Gründen entlassen. Während der Zeit des Nationalsozialismus wurde er kurzzeitig in „Schutzhaft“ genommen und im Anschluss unter Polizeiaufsicht gestellt. Von 1934 bis 1945 arbeitete er als selbstständiger Schreiner in Zweibrücken.

Nachdem er bei der US Kommandantur vorgesprochen hatte und nach Sichtung seiner politischen Vorgeschichte, Roth war Mitglied in der SPD, gab man ihm am 22.3.1945 nur 15 Minuten Bedenkzeit, ob er der von ihnen eingesetzte Bürgermeister dieser völlig zerstörten Stadt werden wollte.

„Wir bauen wieder auf. Auf jeden Fall!“

Zweibrücken hatte seinen ersten Nachkriegsbürgermeister.

Er hatte als Schreiner schon viele Dinge gebaut, hatte das richtige Handwerkszeug und Material dafür gehabt, aber jetzt, eine ganze Stadt – mit was?

436 Bombentrichter verteilten sich auf dem was einmal Zweibrückens Straßen waren. 19 Brücken existierten nicht mehr. 28 Kilometer Kanalisation, 72 Kilometer Wasserleitungen, 80 Kilometer elektrische Leitungen und 41 Kilometer Gasleitungen waren Opfer der Bomben geworden. Und auf all dem lag dieser riesige Berg von dem, was der Feuersturm in der Nacht des 14. März übrig ließ, und den seit dem die Zweibrücker Bevölkerung den schwarzen Mittwoch nannte

Allerdings war das nicht sein einziges Problem. Immer mehr Zweibrücker kamen zurück, suchten Unterschlupf in den Ruinen der Stadt, weil es ihr Zuhause war. Ende 1945 waren schon 23000 Zweibrücker wieder „Zuhause“ und mussten versorgt werden.

Mit Schaufel und Pickel und den nackten Händen begannen die Zweibrücker Bürger die Schrecken des Krieges zu beseitigen. Ignaz Roth steckte seine ganze Energie in dem festen Glauben an ein Gelingen in ein gewaltiges Vorhaben, das er mit seinen Mitbürgern unermüdlich vorantrieb, wozu auch die Gründung der Gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft (Gewobau) gehörte. Von 1946 bis 1959 leitete er als Oberbürgermeister der Stadt Zweibrücken das Kommando „Wir bauen wieder auf“, bis er im Alter von 65 Jahren die Geschicke der Stadt in die Hände von Oskar Munzinger übergab.

Am 4. März 1972 starb Ignaz Roth im Alter von 78 Jahren als Ehrenbürger der Stadt in seinem Zweibrücken.

„Wir schaffen das.“ Ignaz Roth wusste, dass es schwer werden wird, aber er wusste auch wovon er sprach, wenn er meine Heimat sagte.

Es gibt viele Tage im März an denen wir in Zweibrücken kurz innehalten sollten.

 

1

 Ignaz Roth (li.) zeigt der französischen Besatzung das Ausmaß der Zerstörung, im

Hintergrund das schwer beschädigte Schloss

 

2 

Ignaz Roth (mi.) mit guten Freunden, (li.) Geheimrat Trier-Kling,

(re.) Polizist und Händler Christian Knerr 1930er Jahre

 

3

Ignaz Roth 1959

 

Ehre, dem Ehre gebührt

 

 

Der Wassergott von der Kasseler Wilhelmshöhe

Am 25. November 1734 ließen sich der Zinngießer Philip Christian Steinhöber und dessen Frau Maria Elisabetha, geborene Puhlin, die aus Creuznach (heute Bad Kreuznach) stammten, im städtischen Bürgeraufnahmebuch Zweibrückens als neue Bürgersleute eintragen. Steinhöber gründete eine Zinngießerei, mit der er sich über die folgenden Jahre unter anderem durch verschiedene für den Kasseler Hof ausgeführten Aufträge einen guten Ruf verschaffte.

Am 5. April 1747 wurde der fünfte Sohn der Eheleute geboren, fünf Tage später fand dessen Taufe und Eintragung im lutherischen Kirchenbuch Zweibrückens unter dem Namen Carl Friedrich Steinhöffer statt.

Einige Jahre später, nutzte der acht Jahre ältere Bruder Abraham die väterlichen Kontakte zum Kasseler Hof, um dort eine Anstellung als Röhrengießer und Brunnenknecht im Dienste des Kasseler Landgrafen zu erhalten. Er begann mit Reparaturarbeiten an den im Siebenjährigen Krieg zerstörten Wasserleitungen des 1714 durch Landgraf Karl angelegten Berg- und Wasserparks auf der Wilhelmshöhe. Seinen mittlerweile erwachsen gewordenen Bruder Carl ließ er nachkommen, der anfänglich eine Anstellung als Gehilfe erhielt. Er bewährte sich in kürzester Zeit und stieg schnell zum Brunnenmeister auf. Nach dem frühen Tod seines Bruders Abraham übernahm er dann dessen Arbeit als Brunneninspektor für die gesamte Wasserversorgung des Kasselers Fürstenhofes. Des Weiteren wurde er zum herrschaftlichen Spritzenmeister der städtischen Brandbekämpfung ernannt.

Über die Jahre erschuf er auf der Wilhelmshöhe verschiedene neue Wasserspiele, Fontänen, Wasserläufe und Teichanlagen, durch die er die bis heute bekannte Bezeichnung „Wassergott von der Kasseler Wilhelmshöhe“ erhielt. Außerdem wurden eine Wassergrotte sowie ein Wasserfall des Wasserparks nach ihm benannt, die zu den Hauptattraktionen Kassels gehören. Nach seinem Tod im Jahre 1829 errichtete die Stadt Kassel an seinem damaligen Wohnhaus eine Gedenktafel, um ihn damit für seine geleisteten Dienste zu ehren. Diese Tafel wurde zusammen mit dem Wohnhaus im Zweiten Weltkrieg während eines Bombenangriffs zerstört.

Der kleine, kräftige und als seltsamer Kauz mit Stirnglatze beschriebene Mann nannte sich in seiner Wahlheimatstadt Kassel allerdings nicht mehr Carl Friedrich Steinhöffer sondern Karl Friedrich Steinhofer.

Solche Namensänderungen sind aus jenen Zeiten recht häufig bei Leuten aus handwerklichen Bereichen bekannt. Egal, mit welcher seiner beiden bekannten Namensschreibweisen, es steht unumstritten fest, dass dieser Zweibrücker durch seine geleisteten Dienste und Taten eine so große Anerkennung erhielt die mit der Bezeichnung „Gott“ gewürdigt wurde.

Der Wassergott von der Wilhelmshöhe, verstarb am 19. Februar 1829 in Kassel. Seiner Bitte, ihn in der nach ihm benannten Wassergrotte zu beerdigen, kam die Stadt Kassel nicht nach. Die Bestattung fand auf dem Städtischen Friedhof, wo sich auch bis heute seine Grabstätte befindet, statt.

 

 Steinhoeffer

Wasserfaelle1

 

Wasserfaelle2

 

Wasserfaelle3

Vielen Dank an das Landschaftsmuseum Kassel für die zur Verfügung gestellten Bilder der Wilhelmshöher Wasserfälle!

 

Plan

Amerikas Eisenbahnkönig und General Electric Gründer

 

Das heutige Hilgard-Zentrum und das daneben stehende alte Waisenhaus tragen den Namen eines der berühmtesten Bürger Zweibrückens.

Heinrich Gustav Hilgard war der am 10. April 1835 in Speyer geborene Sohn eines königstreuen und strengen Staatsanwaltes. Kurze Zeit nach seiner Geburt siedelte die Familie nach Zweibrücken um, wo der Vater seine berufliche Laufbahn fortsetzte.

Er besuchte das altsprachliche Gymnasium Bipontinum, welches der stetig auffallende Schüler 1849 wegen etlichen Balgereien und Streitigkeiten mit den Lehrern verlassen musste.

Ab dem Jahre 1850 besuchte er für den Rest seiner Schulzeit das Gymnasium in Speyer, von wo aus er 1852 mit erfolgreichem Abschluss nach München siedelte um dort am Polytechnikum und später an der Universität zu studieren.

Ein Jahr später geriet er mit seinem Vater in Streit woraufhin er mit geliehenem Geld nach Hamburg reiste, von wo aus er ohne Kenntnis der englischen Sprache nach Amerika auswanderte. Sein Schiff legte am 13. Oktober 1853 im New Yorker Hafen an, wo er auf sich ganz allein gestellt amerikanischen Boden betrat und seinen Namen in Henry Villard umänderte.

Sein erstes amerikanisches Geld verdiente er sich mit Gelegenheitsarbeiten als Schreibkraft, Bibliothekar Gehilfe, Hypothekenmakler und als Mitarbeiter verschiedener deutschsprachiger Zeitungen. Im darauffolgenden Jahr reiste er über Philadelphia, Cincinnati und Chicago nach Belleville zu seinem Onkel Theodor Hilgard der ihm berufliche Hilfestellung gab.

Er verbesserte in kürzester Zeit seine bereits erlangten Englischkenntnisse und begann sich mit Journalismus zu beschäftigen. In Chicago übernahm er 1856 den deutschen Zeitungsverlag „Das Volksblatt“, für den er sich im Amerikanischen Bürgerkrieg zwischen 1861 und 1865 als Kriegsberichterstatter betätigte. Nach Kriegsende heiratete er Fanny Garrison, deren Vater William Lloyd Garrison einer der bekanntesten Sklavereigegner war.

Von dieser Zeit an widmete sich Henry Villard dem Ausbau des US-amerikanischen Eisenbahnnetzes, wodurch er im Verlauf der Jahre Präsident mehrerer Bahngesellschaften wurde. Im Jahre 1883 war er maßgeblich an der Fertigstellung der 4400 Kilometer langen Northern Pacific Railroad beteiligt, deren Eröffnung von Tausenden Amerikanern gefeiert wurde. Unter anderem gehörte der bekannte Indianerhäuptling Sitting Bull mit seinem Stamm zu den Ehrengästen, die während der Feier verschiedene Kriegstänze vorführten.

Unter Kanonendonner schlug Henry Villard’s Sohn den Bolzen für den Ausbau des letzten Streckenabschnitts ein, welcher bereits kurze Zeit später fertiggestellt werden konnte.

Nach fast zwei Jahrzehnten in der Eisenbahnbranche erwirtschaftete er etliche Millionen US-Dollar mit denen er immer wieder verschiedene erfolgversprechende Projekte finanzierte.

Während dieser Zeit lernte er den erfolgreichen Erfinder Thomas Alva Edison kennen den er

anfänglich finanziell unterstützte und späterhin mit ihm als Geschäftspartner die bis heute existierende „General Electric Company“ gründete. Durch diese Unterstützung und Geschäftsgründung ermöglichte er Edison den Durchbruch in verschiedenen Fachbereichen der Elektrik, seine wohl bekannteste Entwicklung war die Glühlampe.

Seinem Firmenimperium, welches zur damaligen Zeit aus über 25.000 Arbeitskräften bestand, fügte er noch zwei der in Amerika führenden Zeitungsverlage hinzu, die New Yorker „Evening Post“ und „The Nation“.

Gesundheitlich angeschlagen, zog er sich im Jahre 1893 aus allen Geschäften zurück und verbrachte seinen Lebensabend, bis er am 12. November 1900 verstarb, auf seinem herrschaftlichen Landsitz in Dobbs Ferry, im Staat New York.

Während eines Heimaturlaubes im Jahre 1894 besuchte er seine Geburtsstadt Speyer sowie die Stadt Zweibrücken, wo er seine Kind- und Jugendzeit, die er als die schönste Zeit seines Lebens ansah, verbrachte. In beiden Städten wurde Villard zum Ehrenbürger ernannt, aus Dankbarkeit für diese ehrenvolle Würdigung finanzierte er beiden Städten verschiedene Bauprojekte. In Zweibrücken ließ er das nach seinem frühverstorbenen Sohn benannte Waisenhaus und ein Arbeiterwohnhaus errichten, sein altes Gymnasium und der Diakonissenverein wurden mit großzügigen Stipendien beschenkt. Dem damaligen Oberbürgermeister Maercker überreichte er eine Spende, die in Form einer Stiftung jährlich die Zinserträge an in Not geratene Bürger auszahlen sollte.

 

HeinrichHilgard

Heinrich Gustav Hilgard

 

Waisenhaus

Das ehemalige Waisenhaus 1915

 

zug-hilgard

Diese Dampflok befuhr als erste die Strecke zwischen der Ost- und Westküste

Amerikas. Heinrich Hilgard ist im Führerstand der Lok erkennbar, anschließend

fand die im Beitrag erwähnte Feier statt.

 

karte

Karte der Northern Pacific Bahnstrecke

 

General                       NorthernPacific

         General Electric Logo                                          Northern Pacific Logo

.Persönlichkeiten aus dem öffentlichen Leben Zweibrückens

Weitere Persönlichkeiten aus Herzogszeiten befinden sich im Bereich Adelsgeschlechter, die Entwickler & Erfinder im gleich lautenden Bereich. 

 

  • Daniel Lapp - Tunnelbau Pionier
  • Richard Kallenbach - Der 15. Präsident des Bayerischen Obersten Rechnungshofes
  • Carl Bersch - Maler des legendären Lincoln Gemäldes, eines der bekanntesten Bilder Amerikas
  • Alfred Schuler - Symbol- und Runenforscher, Haupt-Sachgebiet Swastika (Hakenkreuz)
  • Heinrich Hilgard - Amerikas Eisenbahnkönig und General Electric Gründer
  • Carl Steinhoffer - Der Wassergott von der Kasseler Wilhelmshöhe
  • Ignaz Roth - Erster Nachkriegsbürgermeister und Ehrenbürger
  • Der Dingler Clan - Die Zweibrücker Linie der Familie Dingler

 

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